Eine Fahrt über die Rendsburger Hochbrücke

Wenn man sich mit geographisch bewanderten Leuten in Deutschland über Rendsburg unterhält, kommt das Gespräch eher früher wie später auf die Rendsburger Hochbrücke zu sprechen. Diese ist das unbestrittene Wahrzeichen der Stadt. Eigentlich zwei, denn das architektonische Monument weist gleich zwei Eigenheiten auf, welche sie unverwechselbar machen. Die Offensichtlichste ist die Tatsache, dass die Rendsburger Hochbrücke tatsächlich sehr hoch ist. Was schon deshalb erstaunlich ist, weil die Gegend sehr flach ist. Aber für mich als Fährimaa ist die andere Eigenheit natürlich viel interessanter: die Schwebefähre. Doch davon erzähle ich in einer anderen Geschichte.

Rendsburg liegt am Nord- Ostsee Kanal (NOK) – der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt. Zwar wird der Kanal nicht von den ganz grossen Schiffen befahren, denn diese steuern nur bedeutende Häfen wir Hamburg, Rotterdam oder Antwerpen an. Dort wird die Ware in kleinere Schiffe umgeladen, welche die Feinverteilung zum Beispiel in Richtung Ostsee vornehmen. Diese Schiffe sind es, welche durch den NOK fahren. Die größten von Ihnen sind locker so hoch wie ein Hochhaus.

Deshalb ist die Rendsburger Hochbrücke so hoch: Ihre Lichthöhe beträgt stolze 42 Meter, was es auch imposanten Schiffen die Durchfahrt erlaubt. Solch hohe Brücken gibt es natürlich viele, aber die wenigsten sind Eisenbahnbrücken und liegen in einer Ebene. Die Eisenbahn muss deshalb erst auf diese Höhe geführt werden, bevor sie den Kanal überqueren kann. Das ist ein Problem.

Schweizer kennen dieses Problem: Die Eisenbahn zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Eisenräder auf den Eisenschienen sehr wenig Reibung verursachen. Das ist zwar energieeffizient, hat aber den Nachteil, dass die Räder bei stärkerer Steigung durchdrehen würde. Deshalb müssen solche Anstiege langsam erfolgen. Entweder kreisförmig wie am Gotthard oder durch eine lange, sanfte Steigung.

Bei der Rendsburger Hochbrücke geht es langsam hoch und rasch runter (oder umgekehrt)

Rendsburger Hochbrücke Rendsburg Bahn Zug NOK NordostseekanalBei der Rendsburger Hochbrücke finden wir beides. Auf der südlichen Seite des Kanals ein langer sanfter Anstieg und im Nordteil das Karussell, welches die Bahn rasch aus einer Höhe von 42 Metern auf 6 Meter über Meer führt. Das ist damit zu erklären, dass Rendsburg unmittelbar am Kanal liegt und der Bahnhof nur rund 1000 Meter von diesem entfern steht.

Insgesamt ist die Rendsburger Hochbrücke ein imposantes Bauwerk von 2,4 Kilometer länge und einer Höhe von 68 Metern. In einem ziemlich flachen Umfeld kann man es selbstverständlich aus verschiedenen Positionen von weitum bewundern. Sie zählt zu den bedeutendsten Baudenkmälern Deutschland. Das nur nebenbei erwähnt.

Fun fact: Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als es sich noch leicht zugig (!) anfühlte, wenn man sich in im Zug auf den Thron setzte, um sein Geschäft zu verrichten? Solche Toiletten sind heute natürlich längst aus dem Verkehr gezogen. So lange ist das allerdings noch nicht her. Zumindest nicht in Norddeutschland. Deshalb litten die Grundstücksbesitzer unterhalb des Bauwerkes beinahe 90 Jahre lang unter einer… Sonderberieselung. Ein Fäkalienregen, welches es sogar in die Welt der Literatur schaffte. Joachim Meyerhoff gab dem Thema in seinem autobiografischen Werk Alle Toten fliegen hoch: Amerika angemessen Raum.

Das Drama endete übrigens im Jahr 2000 schlagartig. Im spektakulären Fäkalienprozess verkündeten die Richter nämlich in einem wahrlich salomonischen Urteil, dass es die Pflicht der Kontrolleure sei, die Fahrgäste daran zu hindern, während der Fahrt über Hochbrücken auf die Toilette zu gehen.

Inzwischen hat sich das Problem aber eh gelöst, weil moderne Züge aus Schweizer Produktion die Strecken bedienen.

 Tipp:

Natürlich kann man sich die Rendsburger Hochbrücke von unten ansehen. Das tun Sie sogar ganz automatisch, wenn Sie in Rendsburg sind. Genießen Sie dieses Bauwerk aber nicht nur von unten, sondern fahren Sie drüber und werfen Sie einen Blick auf die Landschaft, wie sie ihn sonst nirgendwo in dieser Form erhalten. Natürlich macht es keinen Sinn, einfach nur die Strecke abzufahren. Entweder Sie sind schon in Neumünster und fahren von dort mit dem Zug nach Rendsburg. Oder Sie machen es so wie wir, steigen in Nortorf in den Zug (Nortorf deshalb, weil man dort sein Auto einfach und kostenfrei bei Bahnhof parkieren kann) und fahren mit dem Zug nach Flensburg, um dort einen wirklich schönen Tag zu verbringen. Oder zwei.  Den Bericht dazu finden Sie hier.

Tipp 2:

Wenn Sie im echten Norden unterwegs sind und dabei Zug fahren wollen (was natürlich zu empfehlen ist), nützen Sie das günstige Schleswig-Holstein Ticket.