Verzell doch das em Fährimaa – Folge 3
Der Tag, an dem ich beinahe Fährimaa war
In meinen Adern wabelt das Blut eines Seemanns. Mein Grossvater ist in den Roaring Twenties über alle Weltmeere gesegelt und hat Dinge erlebt, von welchen wir Normalsterblichen im sterilen 21. Jahrhundert nur träumen können. Zumindest die Mutigen und Wilden von uns…
Ich habe immer davon geträumt, ebenfalls einmal zur See zu fahren oder zumindest Fährimaa zu werden. Doch obwohl ich direkt am Rhein aufgewachsen bin, hat mich mein Lebensweg zu etwas anderem, als einer Karriere auf hoher See geführt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Zumindest im Sommer 2015 hat es kurzfristig so ausgesehen, als könnte ich meinen Wunsch doch noch in die Tat umsetzen. Die dritte Folge des Podcast „Verzell doch das em Fährimaa!“ ist so etwas wie ein Protokoll eines Wochenendes, an dem ich beinahe Fährimaa geworden wäre. Aber eben nur beinahe..
Hier die dritte Folge meines Podcasts „Verzell doch das em Fährimaa!“
Ahoi
und danke, Herr Fährimaa:
Für Ihren Blog und den jetzt neu dazu gekommenen Podcast; beides wirklich herzerfrischend, amüsant und irgendwie so – ehrlich. (?) Bin gespannt auf das Seemannsgarn, das künftig noch drangestrickt wird, oder habe ich die dicken Garnknäuele übersehen?
Wie auch immer, ich kann gut nachfühlen, warum jemand in den echten Norden zieht, um mehr Lebensqualität zu bekommen. Hab ich nämlich genauso gemacht. Und genauso wenig bereut. Ich war allerdings vorgeprägt durch meine sehr geliebten Schwiegereltern, die ganz viel mit dem Norden und dem Wasser zu tun hatten. Eine meiner ersten Erinnerungen an „hier oben“ ist eine Fährfahrt mit der Störfähre in Beidenfleth. Sehr angenehm, so eine feine Abkürzung bei einer langen Radtour nehmen zu können, dazu der Genuss der Fahrt. „Else“ heißt die Fähre heute, vielleicht hieß sie auch damals schon so? Ach, was ich dem Fährimaa noch alles verzellen könnte… – würde wohl nicht mal den Fährimaa interessieren…
Vielleicht darf ich aber eine Frage stellen? Oder auch mehrere, dann kann er sich ja was herauspicken, worauf er antworten möchte.
Also, wie schafft es ein Fährimaa, allen seinen Gästen geduldig zuzuhören, die ihm so dies und das anvertrauen? Legt er sich schon mal besonders in die Riemen, um nen Quassler schneller ans im wahrsten Sinne des Wortes rettende Ufer zu befördern? Und, wenns wirklich mal spannend ist, fährt er dann einfach noch mal zurück? Und dann wieder rüber, usw.?
Wüsste auch zu gern, wie Ihre erste eigene Fähre heißen wird.
Und wie Ihre Dienstkleidung aussieht, und ob Sie diese gern tragen, vielleicht sich erst dadurch mehr als derjenige fühlen, der Sie im Kern sind?
Und zum Schluss frage ich mich, ob Sie sich beim Schwerpunktthema der ersten Folge, dem lieben Geld, auch schon mit Ihrer Tarifgestaltung beschäftigt haben. Früher war das ja so, dass zwei Liebende nicht zusammenkommen konnten, wenn das Wasser nun mal zu tief war – Königskinder nicht ausgenommen. Und noch früher hatten Tote ohne Münze unter der Zunge, den sogenannten Obolus, 100 Jahre am Ufer des Styx zu schmachten. Wären Sie auch so erbarmungslos? Nun, Dornröschen musste ebenfalls 100 Jahre auf den Hallo-wach-Kuss warten, das ist schon zumutbar – wenn auch eine echte Zumutung. Aber der Fährimaa muss schließlich auch leben, also seinen verdienten Lohn erhalten.
Nur, wie sähe das aus, diese ganzen Sparfüchse, die am Ufer herumlungern, in Erwartung eines Schnäppchenangebots oder gar einer Gratisfahrt? Man muss ja auch an den Tourismus denken, das gäbe sicher schlechte Bewertungen. Wer weiß denn schon, dass Qualität selten günstig zu haben ist? Und überhaupt, ist eine Fährfahrt nicht eigentlich von unschätzbarem Wert und damit unbezahlbar?
Fragen über Fragen, dr Fährimaa kennt sicher die Antworten; hat schließlich viel Er-Fährung.
Herzliche Grüße aus der Wasserstadt Friedrichstadt, Mathilde Strauß
Hallo Mathilde,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Bitte entschuldige, dass ich so lange gebraucht habe, bis ich die Zeit gefunden habe Dir zu antworten. Aber Du musst wissen, dass ich mir mit Worten schwer tue und mich deshalb immer wieder überwinden muss, mich schriftlich zu äussern. Ich hoffe, man merkt das meinen Texten nicht an.
Trotzdem musst Du Dich aber nicht davor scheuen, mir Fragen zu stellen. Ich werde geduldig darauf antworten. Und zwar auf alle!
Also, ich erzähle Dir nun ein Geheimnis, dass Du niemandem weitererzählen darfst: Ich bin verheiratet. Und wie alle verheirateten Männer habe ich da so meine Technik entwickelt. Also, natürlich nur für den Notfall. In der Regel höhre ich geduldig zu, denn mich interessieren die Geschichten von Menschen eigentlich immer.
Und gleich noch ein Geheimnis: Ist Dir schon aufgefallen, dass eine Fährfahrt immer genau so lange ist, wie eine Überfahrt?
Diese Frage habe ich inzwischen eigentlich schon beantwortet.
Ich hatte mein ganzes Leben noch nie eine Dienstkleidung und werde das am Ende meines irdischen Daseins auch nicht ändern. Ich zieh mich an, wie ich gerade drauf bin. Hauptsache dunkelblau!
An diesen Worten entlarvst Du Dich als Deutsche, liebe Mathilde: Wir Schweizer denken nicht in Tarifwelten, sondern sind einfach bereit den Preis zu bezahlen, der angemessen ist. Darüber habe ich mich deshalb noch nie Gedanken machen müssen. Was allerdings meinen Job als Fährimaa angeht, gibt es ein ungeschriebenes Gesetz aus den 80er Jahren:
Tarif
Du siehst, ich betreibe meine Leidenschaft also aus Leidenschaft und muss meinen Lebensunterhalt deshalb auf andere Weise verdienen. Merchandising könnte ein Weg sein…
Und zum Abschluss
Ich kann Dir nur Recht geben: Es gibt nichts Schöneres als eine Fährfahrt.
In diesem Sinne, sende ich Dir liebe Grüsse. Ich hoffe, wir treffen uns irgendwann einmal zu einer Überfahrt.
Oh, danke, Sie haben ein wenig Zeit gefunden, um meine Fragen zu beantworten; darüber freue ich mich sehr. Wenn ich gewusst hätte, dass Ihnen das Schreiben nicht so leicht fällt, hätte ich Sie nicht mit so vielen Fragen überschüttet, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.
Die Namensfrage ist ja wirklich sonnenklar durch Ihr beigefügtes Bild zu klären – wenn ich nur besser gegen die Sonne erkennen könnte, was da auf der Fähre geschrieben steht… – BLEU? Kann das sein? Wegen Ihrer Lieblingsfarbe wahrscheinlich, natürlich, maritimes Blau, so wird es sein.
Würde ich auch gut finden, Sie dereinst zu einer Überfahrt zu treffen. Werde dann brav den Rat von Chris de Burgh beherzigen – until you get me to the other side.
In Vorfreude auf weiteres Fährmannsgarn sendet ganz herzliche Grüße und ein salziges Ahoi
Mathilde Strauß