Sylt – Tourismus ohne Herz
Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Es gibt einen Grund, weshalb ich diesen Blog schreibe. Nein, eigentlich Zwei. Beginnen wir mit dem Zweiten. Das Land zwischen den beiden Meeren ist wirklich schön und ich sage das aus meiner innersten Überzeugung: Für Schweizer sind Nordseeferien ein ganz besonderes Erlebnis, welches man sich einfach gönnen sollte. Und nun zur Hauptmotivation: Ich freue mich darüber, wenn Schweizer Nordseeferien machen, aber ich möchte nicht, dass Sie dazu beitragen dieses schöne Land derart zu verunstalten, wie es in anderen beliebten Feriendestinationen in der Türkei, Spanien, Italien oder Frankreich geschieht. Ganz ist man auch hier in meiner neuen Heimat nicht davor gefeit. Das ist besonders tragisch, denn wenn die Deutschen etwas machen, dann tun sie es gründlich und bar jeder Romantik. Ein Beispiel davon ist die Insel Sylt, von der meine heutige Geschichte handelt.

Wenn Reisen nicht nur einen ökologischen Fussabdruck hinterlässt
Wie ich schon an anderer Stelle betont habe, bietet der Norden Deutschlands für uns Schweizer Erlebnisse, welche man im eigenen Land unmöglich erfahren kann. Strände zum Beispiel. Die mit großem Abstand schönsten Strände findet man in meinen Augen auf der Nordsee-Insel Sylt. Kilometerlange Strände und riesige Dünen, die Insel ist im Prinzip ein Traum. Trotzdem oder gerade deshalb ist es für mich ein Beispiel, wie man eine Region durch einen verantwortungslosen Tourismus für die „Ureinwohner“ praktisch unbewohnbar macht.
Mit meinem Blog möchte ich deshalb nicht nur erreichen, dass Sie als Besucher in dieser Region ein unverwechselbares und unvergessliches Erlebnis erfahren. Ich möchte auch, dass die Einheimischen davon profitieren können. Ohne damit gleichzeitig de facto ihre Heimat zu verlieren.
Ich will jetzt nicht so weit gehen, von einem sanften Tourismus zu sprechen. Denn machen wir uns nichts vor: Solche Begriffe sollen lediglich davon ablenken, dass jede Form von Tourismus einen Eingriff in die Lebensräume des Gastlandes darstellen. Wenn wir nicht auf Reisen verzichten, uns aber verantwortungsvoll verhalten wollen, sollten wir nicht so tun, als würden wir keine Spuren hinterlassen. Vielmehr sollten wir uns bemühen, dass diese Spuren überschaubar und bei den Gastgebern positive Gefühle schaffen. Das schaffen wir vermutlich am besten, indem wir sie nicht verdrängen, sondern ihr Leben in irgend einer Form bereichern.

Warum Sie sich Sylt sparen sollten
Meine erste Sylt-Erfahrung habe ich übrigens im Rahmen eines Seminars gemacht. Dass dieses Seminar auf Sylt stattfand, lag übrigens nicht an der zentralen Lage innerhalb der Bundesrepublik… Ich selber habe zu diesem Zeitpunkt noch in München gewohnt, musste also rund 1100 km Weg hinter mich bringen. Vielen meiner Kollegen und Kolleginnen ging es nicht anders. Sylt wurde also gewählt, weil man sich die Veranstalter das Etikett des Sylt-Status an Revers heften wollten. Ich wollte kostenlos Sylt kennenlernen.
Natürlich ging es auch um Schulung, nicht dass Sie mich falsch verstehen. Aber das ist nicht der Grund, weshalb die große Mehrheit der Teilnehmer gekommen ist.
Und genau so ist es, wenn Sie Urlaub auf Sylt machen. Es geht hier nicht darum, die schönste Insel des Landes zu besuchen. Den meisten geht es darum, sich als Teil einer großkotzigen Community zu fühlen, welche zwischen Clubs, Bars, Restaurants und Shoppingcenter zirkuliert. Um die Schönheit der Landschaft geht es nur am Rande.
Die meisten Ortschaften wurden in den vergangenen dreißig Jahren von der Kraft des Kapitals erdrückt. Einheimische zogen weg, weil sie sich die Bodenpreise nicht mehr leisten konnten. Nicht wenige pendeln deshalb vom Festland jeden Tag mit dem Zug auf die Insel, um hier zu arbeiten. Deutsche Dörfer haben selten den Charme südländischer Städte. Das kompensiert die Tourismusindustrie, indem sie jedes denkbare Klischee in Beton gießt. Die Ferienorte auf Sylt sehen deshalb inzwischen so aus, wie ein gemütliches Outlet Village.
Ich persönliche finde das …, aber es gibt deutlich mehr Menschen, denen so etwas gefällt.

Die schönen Seiten von Sylt geniessen
Wenn Sie bei der Lektüre dieses Beitrages zur Meinung gelangt sind, ich würde Ihnen davon abraten, Ihre Ferien auf Sylt zu verbringen, liegen Sie nicht ganz richtig. Zum einen, weil meine klare Meinung zu dieser Form von Tourismus und Reisen meine Objektivität trübt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es vielen Menschen nicht schwer fällt zu vergessen, wie es hinter Ihnen aussieht, wenn Sie sich eines schönen Ausblicks erfreuen.
Man kann Sylt also auch so geniessen. Keine Frage. Und selbstverständlich kann man auch auf Sylt Bed & Breakfast machen und den einen oder anderen unverdorbenen Winkel finden. Wenn Sie also Lust haben, einige Tage an wunderschönen Stränden zu wandeln, dann lassen Sie sich von einem alten Nörgeler nicht aufhalten.
Ich persönlich würde es allerdings vorziehen, Sylt für den einen oder anderen Tagesausflug zu besuchen. Fahren Sie kostengünstig von Niebüll mit dem Zug nach Westerland. Mieten sich dort ein Fahrrad und erfahren Sie sich die Insel. Das schöne daran ist, dass sie keine Karte brauchen, weil es a.) nicht so wahnsinnig viele Möglichkeit des Verfahrens gibt und b.) die Fahrradwege nicht nur gut ausgebaut, sondern auch stark befahren sind. So können Sie jederzeit nach dem Weg fragen…
Fahren Sie ans Meer, stellen sie das Velo ab und wandern Sie stundenlang auf Stränden, welche nicht nur wunderschön sind, sondern auch durch fette Dünen vom hässlichen Teil der Ferienwelt abgetrennt liegen.
P.S. In meinem nächsten Beitrag erzähle ich Euch von Sven und dem Grund, weshalb ich trotz meiner Hassliebe zu Sylt auch weiter auf die Insel gehe.
Tipp
Als Fährimaa bevorzuge ich es selbstverständlich, mit der Fähre nach Sylt zu fahren. Allerdings befindet sich der Hafen auf dem Festland nicht auf deutschem, sondern auf dänischem Boden. Man muss dafür also über die Grenze nach Dänemark fahren.
Die Fahrt von Havneby/ Rømø in Dänemark nach List auf Sylt dauert ca. 40 Minuten und ist damit in etwa gleich lang wie die Zugfahrt. Aber natürlich komfortabler und schöner.
Infos unter: https://www.syltfaehre.de/