Das heimliche Wahrzeichen der Nordseeinsel: die Sylter Rose
Dass Sylt eine wunderschöne Insel ist, habe ich in einem anderen Bericht bereits eingestanden. Dass ich Sylt wegen seines kommerziell breit ausgewalzten „Schaut-her-ich-bin-erfolgreich-Tourismus“ nicht mag, ebenfalls. Trotz der regen Bautätigkeit (…) hat sich die Insel aber ein Stück ihrer ursprünglichen Wildheit bewahrt. Diese Wildheit beruht auf einer kargen Vegetation, welche wiederum die Folge der klimatischen Bedingungen und der sandigen Böden ist. Ideale Bedingungen für Wildrosen, welche sich auf Sylt pudelwohl fühlen. Diese Wildrosen werden liebevoll Sylter Rose genannt und sind der Grund, weshalb ich dieses Fleckchen Erde ein bis zweimal pro Jahr betrete.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, da ich Euch von meinem Freund Sven Jacobsen erzählen muss. Sven ist gelernter Bauer auf Nordstrand, einer Halbinsel in der Nähe von Husum. Er lebt dort seit seiner Kindheit auf dem Bauernhof seiner Familie (mütterlicherseits) und macht das, was die meisten Bauern in dieser Zeit machen: Er versucht zu überleben. Bei den meisten anderen Landwirten geschieht dies eher schlecht wie recht, weil ihre Höfe zu klein und damit schwierig zu bewirtschaften sind. Sie geben deshalb reihenweise auf und verkaufen oder verpachten ihr Land an größere Betriebe.
Das stimmt jetzt nur im Prinzip. Im Norden haben viele Bauern ihr Land an Windkraftbetreiber verpachtet und verdienen damit deutlich mehr, als sie dies mit Landwirtschaft möglich wäre.
Zurück zu Sven. Er scheint kein Interesse an Windkraft zu haben. Als er mit 18 den Betrieb seiner Grosseltern übernommen hat, wollte er aber auch nicht aufgeben. Deshalb hat er während zwanzig Jahren vermutlich alles ausprobiert, was man in dieser Branche ausprobieren konnte. Wenig erfolgreich, muss man sagen. Der Erfolg kam erst mit der Sylter Rose. Aber lassen Sie mich die Geschichte von Anfang an erzählen.
Ein Ausflugsziel jenseits des Besucherstroms
Sven hat in seiner unternehmersicher Not die Idee gehabt, man könne sein hübsches Fleckchen Erde in ein Ausflugsziel verwandeln. Einen Rosengarten. Busweise sollten die Besucher nach Nordstrand geführt werden, um sich in dieser Gartenlandschaft zu verlustieren.
Allein, sie kamen nicht. Zumindest nicht in der Zahl, wie sie für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendig gewesen wäre. Was nicht weiter erstaunt, denn die Touristen bewegen sich nur innerhalb einer sehr engen Bandbreite. Was abseits der Hauptrouten ist, wird im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen. Und Nordstrand liegt links. Sehr weit links um genau zu sein.
Nun, nach einer Weile und einem Aufkeimen von Verzweiflung gab die Familie Jacobsen ihr Projekt auf. Doch wie weiter mit dem Garten und der Rose? Da hatte Mutter Jacobsen eine Idee und verkündete: Ich habe da ein Rezept.
Einmal mehr zeigt sich: Geduld bring Rosen
Es folgt die Kurzform der Erfolgsgeschichte (die lange Version dauert 9 weitere bittere Anlaufjahre). Das war der Start zu Rosenfeines, einer kleinen Manufaktur für sortenreine Rosenblütenaufstriche, welche inzwischen bundesweit in vielen Hotels und Gastrobetrieben verwendet werden, um besondere kulinarische Erlebnisse zu schaffen.
Rosenblütenaufstriche ist so etwas wie Confiture. Eigentlich ist es Confiture, darf aber wegen des tieferen Fruchtanteils nicht so genannt werden.
Das besondere an den Rosenblütenaufstrichen von Rosenfeines ist, dass sie eine Kollektion von 11 sortenreinen Aufstrichen umfasst. Jede dieser Sorten hat einen völlig anderen Geschmack. Es ist wie bei Wein, nur viel extremer. Manche Sorten schmecken wie Zitrusfrüchte, andere wie Johannisbeeren und wiederum andere, richtig kräftig nach Rosen. Unter anderem die edelste und bekannteste: die Sylter Rose.
Die Sylter Rose als Krönung der Marke
Das der Erfolg ausgerechnet mit der Sylter Rose gekommen ist, hat etwas Paradoxes an sich. Denn im Gegensatz zu den übrigen Sorten wächst die Sylter Rose gar nicht im Garten von Sven Jacobsen, sondern wird Blütenblatt für Blütenblatt tatsächlich auf Sylt geerntet.
Weil die Ernte ziemlich aufwendig ist, benötigt Sven für diese Arbeit Hilfe. Vier Hände sammeln bekanntlich mehr als zwei. Die Kosten für die Hinfahrt bleiben dabei aber dieselben. Deshalb gehe ich, der eigentlich genug damit zu tun hat, seine Fähre im Schuss zu halten, wenn immer möglich mit auf Sammeltour. Damit ist mit größter Wahrscheinlichkeit in jedem Glas der Sylter Rose auch ein Beitrag vom Fährimaa versteckt.
Wenn man als Schweizer Wanderarbeiter auf Sylt arbeitet, unterscheidet man sich ganz wesentlich vom lokalen Publikum. Man steht plötzlich nicht mehr im Mittelpunkt, sondern ist eher am Rand der Bevölkerung eingeordnet. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass wir arbeiten, während die anderen Ferien machen. Es ist der Blaumann, den ich mir überstülpe, um den Dornen zu entkommen und tiefer ins Dickicht der Rosenbüsche tauchen zu können, welcher den sichtbaren Unterschied macht.
Interessant daran ist nicht nur, wie die Umgebung darauf reagiert (welche ja meistens in den statusgerechten Klamotten gekleidet daherkommt), sondern auch was es mit mir macht. Vermutlich sehe ich nämlich mich bei dieser Arbeit mehr im OFF, wie das die anderen tun. Immer wieder beobachte ich mich, wie ich – für einmal eine einfache, handwerkliche Arbeit verrichtend – verächtlich auf das aufgeblasene Volk der Dienstleister blicke.
Sven in seiner lässigen Natürlichkeit (trägt ja auch keinen Blaumann…) scheint da kein Problem zu haben. Er ist zufrieden mit sich und der Welt und lässt alles was jenseits seines kleinen Paradieses auf Nordstrand seinen Lauf gehen, ohne es zu bewerten. Hauptsache die Körbe werden voll und er hat am Ende des Tages genug Material, um die Nachfrage nach seiner Sylter Rose zu decken.
Die Sylter Rose gibt es auch in Friedrichstadt
Ein zwei Tage später stecke ich wieder in meinem eigenen Leben, welches so weit von den Schlipsträgern der Stadt nicht ist. Komme schließlich auch aus der Stadt und Krawatten habe ich lange genug getragen. Kein Grund zur Überheblichkeit also.
In unserem Laden in Friedrichstadt – und das ist übrigens der Grund, wie es zur Verbindung mit Sven Jacobsens Rosenfeines gekommen ist – verkaufen wir die Sylter Rose und alle anderen Sorten an Rosenblütenaufstrichen selbstverständlich ebenfalls. Aber zu uns kommen nur die Aufgeschlossenen, Neugierigen und netten Kunden. Also meistens zumindest.
Deshalb macht es mir auch Spaß, unsere Kunden auf die Erlebnisreise durch die Geschmackswelten der verschiedenen Rosensorten mitzunehmen. Langsam, aber bedächtig setzen wir über von einem Ufer der Erfahrungswelt auf eine ganz neue Seite des kulinarischen Geschmacks. Und wie es sich für den Fährimaa gehört, erzähle ich dabei Geschichten. Von der Sylter Rose, von Nordstrand, Sven und der verlorenen Liebe. Ferry-Tales!
Tipp
Lust auf ein Glas Sylter Rose? Kein Problem: Kommen Sie einfach bei uns im Rosen-Huus, am Markt 22, in 25840 Friedrichstadt vorbei. Die Degustation ist selbstverständlich unverbindlich und gratis. Macht aber trotzdem Spass.
Auch schon, aber doch mit deutlich weniger Spass verbunden ist das Einkaufen in unserem Online-Shop, auf welchem man alle verfügbaren Rosenblütenaufstriche kaufen kann. Etwas per Post zu bekommen macht zwar Freude, doch seien wir ehrlich, ist einfach viel weniger sinnlich. Aber wenn es nicht anders geht…? Hier geht es zu den Rosenfeines Rosenblütenaufstrichen bei rosen-huus.com; Rosenfeines